Marina Reider, 2014
Wenn das Herz aus dem Takt gerät
Der November wird von der Deutschen Herzstiftung alljährlich als Herzmonat deklariert. Zu den mehr als 1200 Veranstaltungen bundesweit gehört eine in Weißwasser. Am Mittwoch, 26. November, um 18 Uhr ist Dr. med. Steffen Busse zu einem Vortrag zu Gast bei der AOKplus. Der Chefarzt der Inneren Abteilung im Krankenhaus Weißwasser widmet sich dem Thema, spricht über Diagnose und Therapie und was "Otto Normalverbraucher" über diese Volkskrankheit wissen sollte. Busse spricht jedes Jahr im Rahmen der Herzwochen zu interessierten Besuchern in Weißwasser, sagt Marina Reider. Sie ist Diplom-Sportlehrerin, arbeitet an der Freien Schule Rietschen, und gehört zu den Übungsleiterinnen beim Leichtathletik-, Reha- und Gesundheitssportverein Hoyerswerda. Dieser bietet bei der AOKplus in Weißwasser neben orthopädischen Rehabilitationskursen auch eine Herzsportgruppe an. Insgesamt werden hier 160 Teilnehmer betreut. "Wir fangen die Leute auch nach dem verordneten Sport auf", sagt Marina Reider. Der Verein möchte sein Angebot in Weißwasser für die Nachsorgegruppen künftig erweitern, zum Beispiel um Pilates. "Zuhause fühlen sich viele Menschen wirklich krank, in der Gruppe sind die gleichen dann ganz anders drauf. Sie sehen die anderen Teilnehmer und bewegen sich dadurch genauso viel." Nach zwei Jahren seien manche, die einen Herzinfarkt hatten, fitter als einige gesunde Menschen, schätzt Reider ein. Text: Gabriela Nitsche, Foto: Privat
Marina Reider, 2013
Glückshormone mögen keine Alibis
Die Dauerkälte bescherte wohl so manchem Läufer einigen Trainingsrückstand. "Genug damit", sagt Diplomtrainerin Marina Reider und gibt Tipps zum Laufen im frostigen Frühling. Zum
Beispiel am Ostersamstag in Weißwasser. Frau Reider, mir sind heute Morgen auf dem Weg zur Bahn die Ohren an der Mütze festgefroren, das sind nicht die Idealbedingungen …?
Um Laufen zu gehen? Nein, so ist das nicht richtig. Wer gesund ist und regelmäßig Sport treibt, für den sind Temperaturen bis runter auf minus zehn Grad Celsius kein Problem, wenn er sich an einige
Regeln hält. Welche sind das denn? Erstmal sollte man sich im Warmen dehnen, im Hausflur, im Trainingsraum oder Vergleichbarem. Das ist wichtig für jeden Läufer und Leute, die sich bei solcher Kälte
in ähnlicher Weise sportlich im Freien betätigen. Außerdem dürfen sie sich nicht zu viel anziehen. Und was soll ich dabei beachten? Auf die Funktionsunterwäsche sollte niemand verzichten. Schweiß und
Feuchtigkeit werden durch sie abtransportiert, der Körper bleibt warm. Darüber einen Fleecepulli ziehen und gegebenenfalls etwas gegen Regen oder Wind. Das Anziehen nach dem Zwiebelschalenprinzip ist
sicher Vielen geläufig. Dazu kommen bei mir noch Handschuhe und eine Mütze, denn 40 Prozent der Körperwärme werden über den Kopf abgegeben. So eine kleine Abkühlung zwischendurch ist doch ganz
angenehm? Beim Laufen steigert sich die Körpertemperatur bis auf 39 Grad Celsius, und der Körper verbraucht Energie, um diese zu halten. Kurzfristige Temperaturverluste bedeuten also einen erhöhten
Energieaufwand, das Laufen wird anstrengender. Schon der Gedanke an das Einatmen der kalten Luft bereitet mir ein Stechen im Hals. Schnappatmung lässt sich prima vermeiden, genauso das Problem mit
der kalten Luft. Gerade jetzt zum Auftakt der Laufsaison empfehle ich die kürzeren Distanzen und eine geringe Intensität. Anfänger sind mit ruhigem Dauerlauf gut beraten, dazu sollten alle gerade bei
dieser Kälte durch die Nase einatmen. Die Luft wird erst gefiltert und aufgewärmt, während sie durch den Mund aufgenommen ungebremst und kalt in die Lunge geht. Ehrlich, das hört sich schon
anstrengend an. Nun soll es auch noch regnen zu Ostern und trainiert habe ich auch nicht. Gegen Missmut und schlechte Laune helfen Glückshormone, und die werden in besonderem Maße bei der Bewegung an
der frischen Luft freigesetzt. Glückshormone mögen keine Alibis, es muss ja nicht unbedingt ein Dauerlauf sein. Was gibt es denn an Alternativen? Nordic Walking und Walken wären zwei mögliche
Freiluftsportarten. Aerobic, Zumba oder Tanzen sind ebenfalls sehr gut dafür geeignet, den Körper jetzt im Frühjahr in Wallung zu bringen. Niemand da, der mir das abnimmt, ich werde meinen
Schweinehund wohl alleine überwinden müssen? Uns allen tut es gut jemanden mit dabei zu haben, Sport treibt man doch am besten in der Familie oder in der Gruppe. Das erleichtert den Einstieg und
erhöht den Spaßfaktor, sodass man auch dranbleibt. "Egal, wie das Wetter wird, zu Ostern geht es mit der Familie raus" – das ist in Anbetracht des langen Winters genau der richtige Vorsatz für alle.
Der Osterlauf der TSG Kraftwerk Boxberg/Weißwasser am Samstag (Ankündigung im Lokalsport) bietet dafür eine tolle Gelegenheit. Mit Marina Reider sprach Dirk
Blaschke
Marina Reider, 2005
Starthelferin in Weißwasser
„Es war schon eine ganz schöne Umstellung am Anfang“, erinnert sich Marina Reider. Seit 11 Jahren lebt die ehemalige Leistungssportlerin in Deutschland, wohnt im etwa 24000 Einwohner zählenden Weißwasser in der Oberlausitz. Dort trainiert sie als „Integration durch Sport“-Starthelferin drei Mal die Woche etwa ein Dutzend 10-15-jährige in der Leichtathletik-Abteilung des TSG Kraftwerk Boxberg/Weißwasser. Außerdem betreut Marina Reider noch einmal wöchentlich eine Leichathletik AG in einer Schule, an der etwa 20 Erstklässler teilnehmen. Sie selbst hat bis zur Geburt ihres dritten Sohnes aktiv an Wettkämpfen teilgenommen, hält wahrscheinlich noch immer einen Sachsenrekord im Dreisprung. In Marina Reiders Leben vergeht aber nach wie vor kaum ein Tag ohne Sport: Unter der Woche trainiert sie die Kinder und Jugendlichen, am Wochenende geht es auf Wettkämpfe, bei denen ihre Schützlinge auch regelmäßig auf dem Siegerpodest landen. Vor fünf Jahren etwa las sie in der Zeitung vom Programm „Integration durch Sport“. Die TSG bewarb sich und wurde schließlich auch gefördert. Von Asien nach Europa - Von Duschanbe nach Weißwasser Wer nicht aus Weißwasser kommt, kennt die sächsische Kreisstadt vermutlich nicht. Wenn doch, dann höchstwahrscheinlich einer Skurrilität wegen: Sie war Heimat des DDR-Eishockey-Rekordmeisters SG Dynamo Weißwasser (heute die „Lausitzer Füchse“), der die Meisterschaft nur gegen einen Konkurrenten zu verteidigen hatte: den EHC Dynamo Berlin, die heutigen „Eisbären“. Mehr Clubs waren nämlich nicht in der Liga. Bevor Marina Reider in die Lausitz kam, war die tadschikische Hauptstadt Duschanbe ihr Zuhause. Dort leben mehr als 540 000 Menschen. Klar, dass es da Unterschiede gibt. Wie groß die Anpassungsleistung ist, die Marina Reider – wie jeder Aussiedler – vollbringen musste, ist wohl kaum zu ermessen. Am Anfang stand der Spracherwerb, das alte Zuwanderungsgesetz setzte keine Sprachkenntnisse voraus. „Sonst hätte ich vielleicht gar nicht nach Deutschland kommen können“, vermutet sie. Aber die deutsche Sprache hat Marina Reider schnell erlernt, schon der Kinder wegen. „Mir blieb gar nichts anderes übrig. Wir waren kaum angekommen, da wurden die Kinder krank. Das hieß, mit dem Wörterbuch zum Arzt gehen. Das ist natürlich kein Zustand. Verwandte, die uns hätten helfen können, als Dolmetscher oder so, hatten wir nicht. Es war wie ein Sprung ins kalte Wasser für mich, aber so habe ich die Sprache sehr schnell erlernt.“ Die Suche nach Arbeit gestaltete sich für die Diplom-Sportlehrerin schwierig: Auch als ihre Deutschkenntnisse fürs Unterrichten gut genug sind, kann sie nicht in ihren Beruf zurück. Die bundesdeutschen Behörden erkennen ihr Diplom nicht an (ein Schicksal, das sie mit vielen Aussiedlern und Migranten sowie Ex-DDR-Bürgern teilt). Aber Marina Reider gab nicht auf, hilft mittlerweile bei der Ausbildung angehender Physiotherapeuten. Geholfen hat ihr der Sport: „Mein Mann und ich sind einfach auf die Sportplätze gegangen, haben für uns trainiert. Wir kannten ja niemanden, wussten nicht was es für Vereine gibt und so weiter. Ein bisschen Angst war auch dabei, bei soviel Unbekanntem auf einmal.“ Kennenlernen auf dem Sportplatz Über 20 Aussiedlerkinder aus der Wohnanlage nahmen sie einfach mit, trainierten „wild“ mit ihnen. „Dass wir da nicht versichert sind und solche Sachen wussten wir ja gar nicht“, sagt Marina Reider. Aber die Sachsen sind ein aufgeschlossenes Völkchen, und so dauerte es nicht lange, bis man mit Einheimischen ins Gespräch kam, die ihre Runden drehten. „Die haben uns dann gesagt, dass wir doch einfach mal in den Verein kommen sollen, uns umsehen.“ Auch die Lokalpresse war schnell da, machte Fotos und schrieb eine Geschichte. Marina und ihr Mann zauderten nicht lange, wurden recht schnell Vereinsmitglieder. Über einige Sachen allerdings hat sich die mittlerweile 36-Jährige aber schon gewundert. „Es ist für uns eben schwer zu verstehen, dass wir für Sport bezahlen sollen. In Duschanbe habe ich als Leistungssportlerin quasi eine Art Extra-Gehalt bekommen. Jetzt sollte ich auf einmal Mitgliedsbeiträge dafür zahlen, dass ich trainiere und sportliche Leistungen erbringe.“ Bis die Kinder in den Verein kamen, dauerte es denn auch seine Zeit. Viele Eltern hatten genau das von Marina Reider geschilderte Verständnisproblem. Zudem ist das Geld meist knapp, gerade bei frisch zugewanderten Familien, da diese anfangs in der Regel Sozialhilfe beziehen. „Wenn man dann vielleicht noch einen ganzen Jahresbeitrag auf einmal entrichten soll, dann kann man schon unsicher werden“, wirbt Marina Reider um Verständnis für die Skepsis, die bei Aussiedlern gegenüber dem Vereinssport anfänglich oft herrscht. Wer gut überlege sollte diese Vorbehalte aber schnell überwinden, findet sie. „Das wird sonst eindeutig am falschen Ende gespart.“ Für die Zukunft wünscht sich Marina Reider vor allen Dingen, dass sie auch weiterhin mit der Unterstützung von „Integration durch Sport“ rechnen kann. Ihr ist durchaus bewusst, dass es in Zeiten knapper öffentlicher Kassen keine Tabus beim Sparen gibt und der Zuzug von Aussiedlern rückläufig ist. Aber auch die öffentliche Hand dürfe nicht am falschen Ende sparen, findet die engagierte Frau. Text und Bild: DOSB